Ressourcen

11.07.2019

 

... sind im Leben von unschätzbarem Wert. In der Psychotherapie können neue Ressourcen heilend aufgebaut und vorhandene zur Stärkung genutzt werden. Dabei geht es um die allgemeinen und individuellen Potentiale eines Menschen. Viele davon würdigen wir im Alltag kaum, sondern betrachten sie als Selbstverständlichkeit. Dabei ist es z.B. bei 7,5 Millionen Analphabeten in Deutschland und 781 Millionen weltweit im Grunde keine Selbstverständlichkeit, Lesen und Schreiben zu beherrschen. Solche angeblich selbstverständlichen Dinge können wir uns als schätzenswerte Ressource bewusst machen.

 

Viele menschliche Fähigkeiten zählen zu den unbewussten Kompetenzen, doch sind sie deshalb nicht minder wertzuschätzen. Bei psychischen Leiden jedoch engt sich der Fokus häufig ein auf das, woran es vermeintlich mangelt oder was kritisch zu beäugen ist. Umso wichtiger erachte ich die Förderung des vorhandenen Potentials. In einer ganzheitlichen Psychotherapie lässt sich Dankbarkeit für unsere Gaben und Begabungen heilsam erschließen. Im folgenden Artikel möchte ich das umfangreiche menschliche Potential ein wenig beleuchten, auf das eine ressourcenorientierte Psychotherapie zurückgreifen kann. Und bei jeder Persönlichkeit ist dieser Ressourcen-Schatz neu und anders individuell zu erschließen.

 

 

Funktionelle Ressourcen

 

Was ist darunter zu verstehen? Zum einen können hier die materiellen Dinge betrachtet werden. Materielles kann dem Menschen z.B. Sicherheit und Ruhe geben, es kann Prestige demonstrieren, Freude machen oder auch zu Verantwortung verpflichten. Vielleicht legt ein materieller Besitz Zeugnis ab von Fleiß, Disziplin und Leistungsfähigkeit. Zu den funktionellen Fähigkeiten gehören auch unsere Sprachen sowie der gesamte Umgang mit Symbolen - also Rechnen, Schreiben und Lesen. Darüber hinaus müssen alle Interessen und Hobbys hinzu gerechnet werden, ebenso strategische Verhaltensweisen, Skills, Anker und gute Orte, die uns bereichern oder zu Erfolg führen können. Bei einer zunehmend depressiven Entwicklung z.B. gehen solche Ressourcen mehr und mehr verloren und müssen zurückerobert werden. Unsere geistigen und intellektuellen Fähigkeiten sind eng verknüpft mit den funktionellen Ressourcen - als Gemeinschaftsressource wird dann Kultur hervorgebracht, und Kultur stiftet Identität und Zugehörigkeit.

 

 

Zwischenmenschliche Ressourcen

 

Nicht nur im Stressmanagement wird nach Ausgleichfaktoren, und damit besonders nach zwischenmenschlichen Fähigkeiten Ausschau gehalten. Der Mensch ist ein soziales Wesen und von großem Wert ist eine gute Vernetzung nicht allein im Geschäftsbereich. Zum sozialen Netz gehören Freunde, Familie, Nachbarn und der Partner oder die Partnerin. Sogar frühere Kontakterfahrungen, wenn sie eindrucksvoll und positiv besetzt sind, können solche inneren Ressourcen in uns hinterlassen haben. Vorbildfunktionen können sogar von fiktiven Helden übernommen werden, eine Praxis, die im NLP und der Hypnose gängig ist. Soziale Kompetenzen und die Fähigkeit zu Empathie sind wichtige zwischenmenschliche Ressourcen, deren Aufbau z.B. im DBT eine gesonderte Aufmerksamkeit zukommt, speziell um Selbstwertgefühl weiter zu stärken. Doch auch Tiere dürfen an dieser Stelle nicht vergessen werden, manchmal kann die enge Beziehung zu einem Haustier eine ganz besondere Rolle spielen auf dem Weg zur Wiedergesundung.

 

 

Körperliche Ressourcen

 

Jedem dürfte klar sein, dass Gesundheit eine der wichtigsten Ressourcen überhaupt darstellt. Doch zu den körperlichen Ressourcen gehört noch viel mehr. Aussehen, Eleganz, Muskelkraft, Vitalität oder körperliche Ausdauer sind hier bei einigen speziell hervorzuheben. Sportlichkeit und Tanzen sind fantastische Fähigkeiten des Körpers. Manche verfügen über eine besondere Geschicklichkeit, die aufgewertet werden kann. Unsere körperlichen und sinnlichen Fähigkeiten sind immens, doch häufig finden sie erst angemessene Wertschätzung, wenn es zum Verlust, Verschleiß oder anderen Einschränkungen kommt. Genuss ist zutiefst körperlich. Körperlich verankert sind all unsere Fähigkeiten zur Wahrnehmung, der Bewegung und Empfindung. Jede dieser Ressourcen, und einzelne insbesondere, sind daran beteiligt, wenn wir in der Psychotherapie Erkenntnisse anstreben. Viele unserer Erinnerungen sind mit den körperlichen Ressourcen verbunden. Hervorzuheben ist hier noch die Atemtätigkeit, besonders sie kann uns mit dem emotionalen Befinden in Berührung bringt, das manchmal tief verschüttet sein kann. Tatsächlich ist eine jede Emotion unweigerlich mit körperlichen Reaktionsmustern verknüpft, daher macht es besonders viel Sinn, sich den körperlichen Ressourcen zuzuwenden. In meiner Praxis wird Achtsamkeit gezielt eingesetzt, um sich Schritt für Schritt ein solches Körpergewahrsein erschließen zu können. Auf vielfältige Weise können körperliche Ressourcen in meiner ganzheitlichen Therapie genutzt werden. Das gesamte Wachstums-, Heilungs- und Entwicklungspotential, das im menschlichen Organismus angelegt ist, muss als bewundernswürdige körperliche Ressource betrachtet werden. Diese Sichtweise gehört fundamental zu meinem Menschenbild und der therapeutischen Haltung, mit welcher ich ressourcenorientiert in meiner Praxis arbeite - und nicht nur essgestörte Patienten profitieren davon.

 

 

Psychische Ressourcen

 

Zu den psychischen Ressourcen gehört in erster Linie die Introspektionsfähigkeit. Wir können beobachtend nach Innen schauen, unseren Eindrücken nachspüren, über Empfindungen nachsinnen und dadurch Erkenntnisprozesse erleben. Solche Empfindungen oder Erinnerungen können psychisch auch abgewehrt werden, dann sprechen wir von sogenannten Abwehrmechanismen. Auch sie sind ein großartiges Potential, das wir zur Ich-Stärke entwickeln müssen, denn psychische Integrität will geschützt sein. In der ressourcenorientierten Psychotherapie werden sie weder bekämpft, noch gedeutet, sondern genutzt (utilisiert). Die meisten dieser Mechanismen laufen unbewusst im Innern ab. Neben diesen psychischen Schutzschildern sind auch Humor und Kreativität, Mut sowie die Neugier auf Unbekanntes psychische Ressourcen, denen Beachtung gebührt. Wir sind erfinderisch, und Phantasie gehört natürlich auch dazu. Wir können uns ressourcenvolle Situationen vorstellen oder positiv Erlebtes als Erinnerung abrufen. Tolle Reiseerinnerungen z.B. sind großartige psychische Ressourcen. Entspannter Genuss und vor allem Musik kann eine gute psychische Verfassung in uns freisetzen.   

 

Geistig intellektuelle Fähigkeiten, also Intelligenz, die Fähigkeit zum Strukturieren, Kategorisieren und Bedeutungen zuordnen, all das sind bedeutsame psychische und geistige Ressourcen. Die gesamte Lern- und Entwicklungsfähigkeit des Menschen stellt ein Potential dar, das in einer Psychotherapie bei mir immer wieder hervorgehoben wird. "Wenn ich annehmen kann, dass ich Fehler mache und selbst kein Fehler bin, dann bin ich auf dem Spirituellen Weg." (Anne Wilson Schaef, "Weisheit der Urvölker für westliche Köpfe", S. 27. März) Konstruktive innere Einstellungen sind starke psychische und spirituelle Ressourcen, mit denen die Kognitive Verhaltenstherapie, aber auch das NLP (Reframe) psychotherapeutisch arbeiten kann.

 

 

Spirituelle Ressourcen

 

Das spirituelle Potential wird leider zu Unrecht vernachlässigt, denn es ist nachweisbar sehr effektiv für einen Heilungsprozess. Kenneth Parament konnte das in 150 Studien nachweisen, um nur einen Forscher auf diesem Gebiet zu nennen. Dabei muss es gar nicht direkt um die Vorstellung oder den Glauben an eine höhere Macht gehen. Spiritualität hat doch im Grunde nur wenig mit Religion zu tun. Eine spirituell wertvolle und unheimlich heilsame Ressource ist doch die Verbundenheit mit der Schöpfung und die Kommunikation mit der Natur. Man muss kein Mystiker sein, um sie sich zu erschließen. Ebenso stellen Meditation, Gebet oder religiöse Rituale Kraftquellen für Menschen dar, beruhigend, erdend, stärkend. Manchmal muss Krankheit auch als spirituelle Krise verstanden werden, besonders dafür ist die ganzheitliche Psychotherapie sensibilisiert. "Wir hören immer wieder, dass Süchte spirituelle Krankheiten sind, und trotzdem suchen wir in der westlichen Kultur weiter nach mechanistischen Ursachen", sagt Anne Wilson Schaef, eine Psychologin und spirituell weise Frau ( in "Weisheit der Urvölker für westliche Köpfe", S. 6. Juni). Wer sich dem Aufbau von spirituellen Ressourcen, wie tiefes Vertrauen und Hingabefähigkeit widmet, der baut echte Resilienz auf. Das Vertrauen in Lebens- und Heilungsprozesse ist eine spirituelle Ressource per se, die in der Psychotherapie wieder angeregt werden kann, in der wissenschaftsorientierten Medizin jedoch verloren gegangen ist. Ich betrachte den Menschen immer auch als spirituelles Wesen, für den Sinnfindung und Sinnerfüllung existentiell relevant ist. Eine bestimmte spirituelle Ressource darf auf keinen Fall fehlen und muss immer genährt werden: "Hoffnung ist das Ding mit den Federn, das in der Seele sitzt ... und singt ... und singt die Weise ohne ein Wort und hört nie auf ... niemals." (Emiliy Dickinson, amerikanische Dichterin)

 

 

Last but not least

 

Am Ende sollen die Erkenntnisse der Neuropsychologie diesen Betrachtungen ihren Stellenwert geben. Es kann nämlich aus aktuellen Gehirnforschungen zusammenfassend geschlussfolgert werden: Der Mensch sollte zum Lernen und Neuentwickeln am allerbesten in einem Ressourcen erfüllten Zustand sein (Joseph LeDoux, Eric Kandels, Gerald Edelmann u.v.a. zusammengefasst in Klaus Grawe "Neuropsychotherapie"), und das gilt auch für psychotherapeutische Lernprozesse! Die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen allesamt nicht gerade für eine bewusst angelegt konfliktorientierte Psychotherapie, was ganz besonders in der Traumatherapie zu beachten ist. Sollten nun auch Sie mehr über Ihre persönlichen Ressourcen erfahren oder neue anstreben wollen, bin ich gerne mit einem Coaching oder auch mit einer ressourcenorientierten Psychotherapie für Sie da. Hierfür schule ich mich fortwährend weiter.