Langeweile

19.07.2019

... ist nachweislich ein fruchtbarer Boden für Suchtentwicklung. Durch die multiple Mediennutzung fällt oft gar nicht auf, wie weit verbreitet das Problem der Langeweile eigentlich ist, und sogar in der Psychotherapie geht die Thematik manchmal unter. In der Praxis mache ich die Erfahrung, dass  Medien-Abhängigkeit weit verbreitet ist und als solche oft nicht erkannt wird, weil es heute die gängige Methode ist, der Langeweile zu entkommen.

 

Bei gegebener Abhängigkeit entsprechen alternative Freizeitaktivitäten kaum noch den Erwartungen. Die Wirkung des gewohnten "Kicks" durch E-Sport und Computer Games bleibt aus und die vermeintliche Spannungsregulation unerfüllt. Wenn dies der Fall ist, sollte man hellhörig werden. Doch nicht immer geht es bei Langeweile gleich um Abhängigkeit. Oftmals heißt es nur, einfach Langeweile zu überwinden. Da ist jemand nicht gerne oder zu lange allein. Nicht selten trifft das auf Schüler in den Ferien zu oder Arbeitnehmer im Urlaub. Viel schwerwiegender dürfte es Arbeitslose betreffen - im Grunde all diejenigen, bei denen die gewohnte Tagesstruktur merklich wegfällt, die uns ansonsten den Takt vorgibt.

 

Langeweile ist dann auch nicht das Gefühl von totaler Leere oder Gefühllosigkeit. Dann ist es eher ein Zustand von Lustlosigkeit, Unzufriedenheit und dem Gefühl, nichts mit sich und seiner Zeit anfangen zu können. Manche haben noch kein oder kein Hobby mehr. Der ein oder andere denkt vielleicht, sich so etwas nicht leisten zu können. Andere sind möglicherweise seit Jahren mit Arbeit und Aufgaben verplant, so dass sie ihre eigenen Interessen vernachlässigt oder verloren haben. Doch was könnten alternative Möglichkeiten sein, wenn Langeweile aufkommt, oder es ausreichende Gründe gibt, sich der üblichen Ablenkung durch Fernsehen und Medien nicht mehr vollkommen überlassen zu wollen?

 

Tatsächlich geht es dann erst einmal darum, Verschiedenes auszuprobieren. Es anpacken, anfangen, es einfach tun! Und der erste Schritt ist bekanntlich immer der schwerste. Eine Liste positiver Aktivitäten, wie ich sie am Ende dieser Seite für Interessierte bereithalte, kann Anregungen dazu geben. Doch wie viel Disziplin und Ausdauer kann für alternative Freizeitaktivitäten noch aufgebracht werden, wenn wir an die einfachen Mouseklicks gewöhnt sind?

 

"Der Weg schiebt sich dem unter die Füße, der die ersten Schritte geht - einen Schritt nach dem anderen."  (Volksmund)

 

Die Volksweisheit ist in diesem Fall nicht zu verachten: "Kein Meister ist jemals vom Himmel gefallen." Das sollte uns wirklich daran erinnern, dass es ums Üben geht und nicht um den Erfolg. Geduld kann man nicht haben, man muss sie aktiv üben. Vielleicht könnte es eine Weile um die Auseinandersetzung mit der Frustration beim Lernen und Ausprobieren gehen? Ist das nicht wieder furchtbar langweilig? Wie ist das denn, sich mit etwas zu beschäftigen, das nicht auf Anhieb Spaß macht und aufregend ist? Manches muss tatsächlich erst erprobt oder eingeübt werden. Personen mit geringer Frustrationstoleranz erwarten von Aktivitäten Spaß, Aufregung, einen Kick oder eine Spannungsregulation, im besten Fall einfach Ablenkung. Es könnte aber auch darum gehen, mal an etwas dranzubleiben und nicht gleich aufzugeben. Vielleicht ist bei manchen hier eine psychotherapeutische Begleitung sinnvoll, denn bei einem solchen Lernprozess geht es um die Unterstützung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit.

 

 

Doch manche Dinge müssen einfach getan werden! Was heißt das denn? Nun, es geht im Leben nicht darum, dass es immer Spaß machen muss, dieser Anspruch ist irreal. Manche Dinge sind einfach banal, manches macht einfach überhaupt keinen Spaß. Manches muss einfach nur erledigt werden. Möglicherweise kostet es Überwindung, diese Art Kontinuität und Disziplin aufzubauen, damit die Dinge gemacht sind. Langeweile kann der Prozess des Aufschiebens sein. Doch wer Aufgaben aufschiebt, der hat ein Problem: "Aufschieberitis" mit vielleicht unangenehmen Folgen.

 

 

Langeweile ist ein Indiz:

  • Unterwerfung, obwohl man sich ja eigentlich gar nicht unterwerfen möchte
  • Abhängigkeits-Verleugnung, denn Freiheit und die eigene Gestaltung gelingt eben nicht
  • man kann sich nicht entscheiden und man will sich nicht festlegen
  • Ansprüche und Erwartungen sind irreal
  • Aufgaben werden aufgeschoben und Verantwortung wird vermieden
  • überhöhte Ansprüche an sich, deshalb bleibt es beim Status Quo und der Passivität

 

 

Solche inneren Konflikte mögen unter Umständen für Jugendliche im Entwicklungs- und Ablösungsprozess völlig normal sein. Doch wer als Erwachsener diesbezüglich noch Probleme hat, der könnte hier Unterstützung brauchen.

 

 

Langeweile ist ein Appell:

  • die passive Konsumhaltung zu reflektieren
  • Freizeit und Leben aktiver zu gestalten
  • zur Sinngebung
  • erste kleine Schritte zu gehen, anstatt auf den Big Bang zu warten
  • Inhalte zu schaffen und offen zu sein zum Ausprobieren
  • Freude zu schaffen, Frustrationstoleranz zu entwickeln und aktiv zu werden

 

 

Zur Überwindung von Langeweile könnte die Liste positiver Aktivitäten anregend sein:

 

 

Weitere Informationen: